Dass eine forscherische Untersuchung einer gesamten Kundenreise, der sogenannten Customer Journey, deutlich mehr Insights über den Kunden generiert als punktuelle Betrachtungen einzelner Kontaktpunkte, ist altbekannt. Wie aber hat sich die Customer Journey seit (vielleicht auch durch) Corona verändert und was bedeutet das für die empirische Erfassung des Kundenerlebnisses? Zum Beispiel im Mystery Research? Das wollten wir von Torsten Bischoffstrate, Geschäftsführer unserer Mystery Shopping-Unit SKOPOS NEXT, wissen.
Wir möchten hier ein wenig philosophisch starten: „Nichts ist so beständig wie der Wandel“ hat uns bereits Heraklit gelehrt. Während uns die Pandemie nun lange Zeit ein recht beschränktes Umfeld geschaffen hat, konnte man wiederum im Handel eine konstruktive Ausweitung der Handlungsspektren beobachten. Die ganzheitliche Betrachtung der Beziehung zwischen Kunde und Ware – die Customer Journey – wird in der Marktforschung seit Langem mit unterschiedlichen Methoden erforscht. Vielleicht erklärst Du uns kurz, wie sich diese Reise klassischerweise und vor der Pandemie für den Kunden dargestellt hat?
Sehr gerne: Der Begriff „Customer Journey“ beschreibt den Weg eines Kunden vom ersten Eindruck bis zur letzten Interaktion in Zusammenhang mit einer Bestellung, einer Beratung oder einem Kauf. In der Praxis kombinieren wir hier verschiedene Methoden aus der Marktforschung und prüfen für unseren Auftraggeber, ob er den Kunden an allen Kontaktpunkten mit seinem Produkt oder seiner Dienstleistung abholen und begleiten kann. Mittels Mystery Research messen und bewerten wir, inwiefern die definierten Prozesse – von der Warenpräsentation über die Beratungsleistung bis hin zum Kaufabschluss – kundenorientiert sind und wie gut sie funktionieren. Klassischerweise orientiert sich dieses Modell am stationären Handel und setzt voraus, dass das Produkt als solches für den Kunden physisch in Augenschein zu nehmen ist.
In Zeiten des Lockdowns natürlich ein schmerzlich vermisster Umstand …
Richtig. Lockdown, das bedeutet, dass dem Verkaufsprozess ein entscheidendes Argument genommen wurde: das Wecken eines Kundenbedürfnisses durch Kontakt und „Erfühlen“. Wir bewegen uns zwar schon seit Längerem im Prozess des Wechsels der Konsumenten zwischen „online“ und „offline“ –also online aussuchen, im Laden anschauen und final online bestellen. Dennoch galt es in Zeiten des Lockdowns genau dort, eine Brücke zu schlagen, wo uns das „Erleben“ genommen wurde.
Die Händler mussten also umdenken – kann ich meinen Kunden nicht zu mir holen, muss ich ihn dort abholen, wo sich vermutlich ein Großteil unseres Lebens in den vergangenen Monaten abgespielt hat: zu Hause. Welche Lösungen gab es für diesen Switch?
Videoberatung ist hier ein Beispiel. Das gab es früher nicht, wird aber immer häufiger eingesetzt. Beispielsweise bei Banken, Versicherungen oder Telekommunikationsunternehmen. Das große Potenzial ist hier, dass ein Unternehmen so nah, wie nie als in das private Umfeld seines Kunden schafft. Unverhofft hat sich hier ein völlig neues Betätigungsfeld erschlossen – war es unseren Kunden lange ein Dorn im Auge, Verkaufsprozesse vor der Haustür abzuschließen, so werden Händler in Zeiten des Lockdowns vom Kunden nahezu freiwillig in ihr intimstes Umfeld hereingebeten. Diese Möglichkeit muss mit der nötigen Sensibilität erfolgreich genutzt werden. Und hier kommen wir ins Spiel, indem wir diese neuen Kommunikationsfelder forscherisch unter die Lupe nehmen und analysieren.
Also eine Reise mit neuen Zielen. Wie schließt Ihr diese neue Reise-Route in der Marktforschung mit ein?
Ein Beispiel: Bei Vertragsabschlüssen ist der Prozess des Video-Idents als rechtssichere Identifizierung des Kunden unabdingbar. Ob beim Autokauf, Kreditvertragsabschluss oder Handyvertrag. Hier sollte der Prozess reibungslos funktionieren, sonst steigt unser Kunde spätestens an diesem Punkt aus dem Verkaufsprozess aus. Oftmals werden Identifikationsprüfungen ja von externen Dienstleistern durchgeführt. Der Verkaufsprozess leitet mich als Kunde dahin weiter. In unseren Forschungen haben wir des öfteren erlebt, dass technische Schwierigkeiten aufgetreten sind, die ein Video-Ident verhindert hat. Also als Alternative zum Postident. Die Customer Journey wird unterbrochen, gerät sozusagen ins Stolpern und der Kunde muss zum Postamt, um sich dort zu verifizieren. Ein solcher Kanalbruch führt zu hohen Abbruchraten – besonders dann, wenn die Marke, von der ich komme, bei der ich kaufen will, nicht adäquat repräsentiert wird. Die meisten Kunden verliert man auf den letzten Metern. Einen solchen Bruch sollte man in jedem Fall vermeiden.
Abschließend betrachtet: Die Customer Journey sucht sich in Zeiten einer Pandemie neue Wege und die Händler haben reagiert – die Marktforschung ebenfalls. Wo wird die Reise hingehen?
Die stationären Kontaktpunkte zwischen Kunde und Marke und die digitalen Touchpoints werden immer mehr verzahnt. Das passiert auch, weil sich der stationäre Handel von den Online-Verkäufen nicht die Butter vom Brot nehmen lassen will und die Online-Händler das Manko haben, dass ein Kunde eben die Ware nicht vor dem Kauf anfassen und ausprobieren kann. Neue Store-Konzepte, Stichwort Retail-as-a-Service, bringen hier interessante Impulse.
Und was uns innerhalb der Reise-Route eines Kunden auch weiterhin beschäftigen wird, sind sämtliche Hygiene-Themen. Vornehmlich am POS sind das Verfügbarkeit und Funktionstüchtigkeit von Desinfektionsspendern. Beratungssituationen, die mit Abstand funktionieren. Aber auch breite Gänge, die Abstand zu anderen Kunden ermöglichen. Eben die Einhaltung sämtlicher Hygiene-Vorschriften. Wir erwarten, dass einiges davon auch nach Corona bleiben wird. Auf freiwilliger Basis des Handels. Weil es den Kunden Sicherheit vermittelt. Was auch bleiben wird: der geänderte Bezahlvorgang: Wie viele Menschen haben durch Corona herausgefunden, was ihre EC-Karte so alles kann oder was mit Smartphone und -watch so alle geht.
Eine ganzheitliche Betrachtung der Customer Journey beinhaltet all diese Touchpoints. Für uns Mystery Researcher bedeutet das, dass auch wir uns darauf einstellen und all diese Prozesse der Kundenkommunikation abbilden werden. Es wird spannend sein zu sehen, wie diese neuen Experimentierfelder das Kauferlebnis bereichern. Und ob die Verzahnung auch für den Kunden gut funktioniert, testen wir mit unseren Mystery-Methoden.
Um das philosophische Intro noch einmal aufzunehmen: Wandel findet statt. Zu jeder Zeit. Auch in Zukunft. Und da braucht es Kreative, Kundenversteher und ein Marktforschungsinstitut wie uns, das flexibel, digital und agil auf den Wandel reagiert.
Lieber Torsten, vielen Dank für das Gespräch!
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